Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und "die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören", schreibt Luther 1537 in den Schmalkaldischen Artikeln, die zu den Bekenntnisschriften unserer Kirche gehören. Das Hören der Stimme des guten Hirten, der Zuspruch aus dem Wort der Bibel und Predigt, ist konstitutiv für unsere Kirche. Darum läßt Luther uns im kleinen Katechismus lernen:
Du sollst den Feiertag heiligen. Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen.
Unsere Kirchengebäude sind danach auf das Hören des Wortes ein- und ausgerichtet.
Dies empfinden wir Menschen möglicherweise als ärgerlich. Wir lassen uns ungerne in unser Leben und unser Selbstverständnis "reinreden". Aber dahinter steht die Erfahrung: Das Wort, das Dir hilft, kannst Du Dir nicht selber sagen.
So lädt die Kanzel in der Neuburger Kirche von etwa 1700 nach Christus mit ihrem barocken Bildprogramm, das unter die Gedächtnisorte der Reformation im Norddeutschen Raum gezählt wird, ein, sich dem Anspruch und Zuspruch Gottes zu öffnen:
Ein entflammtes Herz mit Ohren, inmitten in einer schönen Landschaft unter einem Regenbogen wird uns vorgestellt. Die Ohren und die Flamme als Zeichen für ein Hören, das auch eine inneres Mitgehen einschließt, und das uns innerlich in den Raum der Treue Gottes versetzt, der wir unser Leben täglich neu verdanken.
Die schöne Landschaft und der Regenbogen darüber stehen für die Zusage der Treue Gottes zu uns Menschen, in der wir einen Raum haben, unabhängig davon, ob wir das verdient haben, so wie Gott am Ende der Sintflut sagt: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf... Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Wir sehen drei kniende nackte Menschen mit Flügeln, die aufwärts blicken zu einem bewölkten Himmel aus dem eine Hand den Knienden das Kreuz vorhält.
Indem wir hoffen stellen wir uns und unser Wesen in einen größeren Rahmen und fragen in all unserer Blöße und unserem Ausgeliefertsein nach Halt und Sinn. Hoffnung verleiht Flügel. Mit unserem Fragen, unserer Sehnsucht nach mehr, werden wir zugleich zu Engeln, zu Boten Gottes gegen die Hoffnungslosigkeit.
Das Kreuz, das die himmlische Hand uns vorhält, ist ein Zeichen, dass es keine Not gibt, in der Gott nicht bei uns wäre, wie der Apostel Paulus schreibt: Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? - Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Wir sehen eine nach rechts gebogene Kerze die nur noch einen glimmenden Docht hat. Aus der Tür des eigenen Hauses tritt sie in den Schein der Sonne Gottes - und darf sein.
Gottes Güte lädt uns ein, Buße zu tun, das heißt umzukehren. Mit, in und trotz all unserem Gebrochensein werden wir eingeladen, hervorzukommen aus dem eigenen Schneckenhaus und in das Licht der liebenden Güte Gottes zu treten. Er wird uns Unvollkommene nicht zurückstoßen, sondern verwandeln. In Christus ist er n unsere Gebrochenheit gekommen und kommt noch heute in seinem Wort: Wie es der Propheten Jesaja von dem Knecht, dem Bevollmächtigten und Gesandten Gottes weissagt: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Wir sehen ein Herz, das sich von der Erde erhebt. Eine Taube kommt aus dem offenem Himmel herab. Strahlen gehen vom Himmel durch die Taube zum Herzen. Auf dem Herz liegt ein Schlüssel, aus dem Herzen wachsen Flammen wie Kerzen hervor. Sie übersetzen gewissermaßen die himmlischen Strahlen in irdische Flammen.
Die Taube, das Bild des Heiligen Geistes Gottes, über dem Herzen, der Schlüssel auf dem Herzen zeigen: Gott hat dieses Herz aufgeschlossen. Er hält es offen und erleuchtet, so dass in den Umkreis Liebesflammen aus ihm wachsen.
Der Apostel Paulus schreibt: Wisst ihr nicht? Wem ihr euch zu Knechten macht, um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid ihr und dem gehorcht ihr – entweder als Knechte der Sünde zum Tode oder als Knechte des Gehorsams zur Gerechtigkeit. Gott sei aber gedankt: Ihr seid Knechte der Sünde gewesen, aber nun von Herzen gehorsam geworden der Gestalt der Lehre, an die ihr übergeben wurdet.
Und nach Einladung und Zusage werden wir als Zeichen unserer Freiheit und unserer Verantwortung schließlich gewarnt mit einem dramatischen Bild:
Blitze fahren aus einer dunklen Gewitterwolke, die sich vor das himmlische Licht geschoben hat. Unten lodert ein heftiges Feuer in einem Pfuhl, aus dem das Wehe erklingt, dreimal als Zeichen der vollkommenen Verzweiflung, so wie uns im Hebräerbrief zu denken gegeben wird:
Darum sollen wir desto mehr achten auf das Wort, das wir hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben. Denn wenn das Wort fest war, das durch die Engel gesagt ist, und jede Übertretung und jeder Ungehorsam gerechten Lohn empfing, wie wollen wir entrinnen, wenn wir eine so große Seligkeit nicht achten, die zuerst gepredigt wurde durch den Herrn und bei uns bekräftigt wurde durch die, die es gehört haben?